GALERIE SCHIPPER im INTERDRUCK
Presse: Leipziger Volkszeitung :: 18. 07. 2002
Unheimlich in Pixeln gedacht
Die Galerie Interdruck zeigt handgeknüpfte
Staubwolken von Bea Meyer


Sie ist nicht ganz so prominent, wie Bernhard Schipper glaubt. Anwohnern und Kennern der Kunstszene ist seine Galerie auch nach zwei Jahren kein Begriff. Das verwaiste lndustriegelände erinnert mitnichten an die Blüte des Grafischen Viertels. Hier wurden die Bücher Rilkes und Kafkas gehegt und verlegt, später volkseigene Verlage im großen Stil abgemäht. Auf dem Industriegelände ist ein Hinweis auf eine Galerie schwer auszumachen. Die richtige Pforte warnt: "Unbefugten ist der Eintritt verboten". "Wir brauchen keine Werbung", glaubt Schipper, "Besucher haben wir genug. Besucher sind keine Käufer." Am Wochenende hat der "kleine, familiäre" und vor allem schwer auffindbare Bürgerschreck in der Göschenstraße geöffnet: In jeder Ecke liegen Kippen, ein angenagter Streuselkuchen wird zu einem Stück trocknen Humors. Und das Neonlicht vorleiht den Weißwänden Brutalität.

Dort hängen nahezu identische Knüpfteppiche in müden Farben. Auf den zweiten Blick ließe sich im Gewirk Norwegen nach der Eiszeit entdecken doch gehören die Schmuckstücke zu einer Ausstellung mit dem prosaischen Titel "Arbeiten", in concreto betitelt mit "Wolke September Z001". Geknüpft hat sie Beatrice Meyer, die sich seit geraumer Zeit Bea Meyer nennt, Textildesign in Schneeberg studierte und Videokunst in Leipzig. Wo sich die derzeitige HGB-Meisterschülerin aufhält, weiß Schipper nicht, der ansonsten um keine Antwort verlegen ist: Die Arbeiten hießen "Arbeiten", weil sie echte Hand-Arbeit bedeuten. Und Bea Meyer sei für ihn eine Künstlerin, die "bis an ihre Grenzen geht". Sie und ihn habe das Studium kritisch werden lassen: "Die Videokunst ließ uns unbefriedigt, weil sie so eine Wischi-Waschi-Angelegenheit ist. Am meisten werden die Effektgeschichten beachtet. Aber eine monatelange Arbeit sieht am Ende nach nichts aus." Doch weil Meyer und Schipper wie alle Videokünstler "in Pixeln denken", kam es irgendwann zur Teppichidee...

Als das World Trade Center einstürzte, tremolierte Opernkomponist Stockhausen etwas vom "gigantischsten Kunstwerk", das er je erlebt hätte. In der Bildenden wie in jeder Kunst sind politische (Lippen-)Bekenntnisse eher verderblich. Bea Meyer tat daher gut daran, gar nicht erst auf größere Zusammenhänge zu verweisen. Im Gegenteil, sie fror Bruchteile von Sekunden ein, übernahm Computergrafiken auf ihre Hand-Arbeitsvorlagen und ließ die zerbrechenden Zwillingstürme letztmalig erstarren. Gesucht ist, der unsichtbare Dritte (Blick): Wer sich Zeit nimmt und die Staubfänger nicht vorschnell als großmütterliche Banalität abtut, wird Unheimliches entdecken. Und wer noch mehr Zeit hat, könnte von Bernhard Schipper zu Kaffee und Gespräch eingeladen werden, darin der Galerist seine Künstler mit Verve ins Neonlicht rückt. Seine Kaffeeausflüge sind geistig komplexer Natur und enden am Ende doch mit einem Teppichkauf. Falls Schippers Besucher die Galerie finden und vor allem "befugt" sind.

Angela Rändel
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